Donnerstag, 26. Juli 2018

Westliche Ernährung: Angriff auf unser Gehirn

Zu viel Zucker, zu viel Fett und zu wenig Omega-3-Fettsäuren, mit anderen Worten: eine in der westlichen Welt Mode gewordene Ernährungsweise schlägt nicht nur auf die Hüfte, sondern auch aufs Gehirn. Speziell die Gedächtnisleistungen sind davon ganz offensichtlich negativ beeinflusst. Am Ende ist es vielleicht diese Wohlstandsernährung, die menschliche Gesellschaften in die Bedeutungslosigkeit abrutschen lassen.

Entscheidend für das Gedächtnis ist es, auch noch relativ ähnliche Muster voneinander trennen und dann getrennt voneinander im Gehirn abspeichern zu können. Diese Mustertrennung hält so Objekte im Gedächtnis und wird durch den Hippocampus vermittelt. Eine Beziehung zwischen Hippokampusfunktion und Ernährungsweise wurde länger schon durch Befunde sowohl bei Menschen als auch bei Tieren nahegelegt.

In einer aktuellen Studie von Forschern aus Regensburg erhielten Ratten über sieben Generationen hinweg eine Nahrung, die erhöhte Mengen an Zucker und gesättigten Fettsäuren, reduzierte Mengen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und ein erhöhtes Verhältnis von Omega-6/Omega-3-Fettsäuren ("westliche" Diät) enthielt.

Die räumliche Mustertrennung (oder lokale Diskriminierung) dieser so ernährten Tiere wurde mit derjenigen von Ratten verglichen, die mit einer Standarddiät gefüttert wurden. Ein separationsabhängiger Unterschied zwischen den Gruppen mit Standard-Ernährung und jenen mit der westlichen Ernährungsweise wurde an der Anzahl der erfolgreichen Trennungen von Mustern festgemacht, die in einer Mustertrennungsaufgabe durchgeführt wurden.

Ergebnis: Ratten der "westlichen" Gruppe waren in diesen Tests deutlich weniger erfolgreich.

Die vorliegenden Ergebnisse legen nahe, dass die Mustertrennung durch eine transgenerationale Verabreichung einer "westlichen" Diät beeinträchtigt werden kann. Dass aber auch umgekehrt eine solche Verhaltensanalyse der räumlichen Mustertrennung die Auswirkungen von Ernährungseinflüssen bei Ratten erkennen kann.

Zukünftige Studien sollten dann bestimmen, welche der Bestandteile dieser westlichen Ernährungsweise die Gedächtnisstörungen im Zusammenhang mit dem Hippocampus wirklich induzieren. Auch muss die Relevanz dieser Befunde für psychische Störungen wie Demenz und Depression untersucht werden.

Hintergrund

Die Mustertrennung ist ein mnemotechnischer Prozess, der die Überlappung zwischen ähnlichen Eingaben reduziert und es ermöglicht, dass Erinnerungen getrennt und verwechslungssicher gehalten werden. Neuronale Schaltkreise im Hippocampus vermitteln diese Mustertrennung, indem sie ähnliche Eingabemuster als unterschiedliche Repräsentationen erkennen und speichern. In der räumlichen Mustertrennungsaufgabe, die in der vorliegenden Studie verwendet wurde, wurden Ratten dazu trainiert, auf einem Touchscreen dargestellte Orte zu unterscheiden. Die Orte unterschieden sich nur in ihrem Abstand voneinander auf dem Bildschirm.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Mustertrennung bei Ratten, bewertet mit einem Touchscreen-Test, nach transgenerationeller Verabreichung einer Diät mit erhöhten Zucker- und gesättigten Fettsäurespiegeln sowie reduzierten Konzentrationen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Vergleich zu zu Laborratten mit einer Standarddiät beeinträchtigt wurde.

Ratten mit Läsionen des dorsalen Hippocampus zeigten in früheren Versuchen eine gestörte Mustertrennung, wenn die zu diskriminierenden Stellen nahe beieinander lagen, aber nicht, wenn sie weiter voneinander entfernt waren. Andere Studien zeigten ebenfalls trennungsabhängige Beeinträchtigungen nach einer vollständigen Zerstörung des Hippocampus und einer selektiven Läsion des Gyrus dentatus.

Veränderung über Generationen hinweg

Ein ähnliches Defizit wurde jetzt auch in der vorliegenden Studie gefunden, mit einer Abnahme der Anzahl von Diskriminierungen, wenn die Touchscreenfelder mittlere und kleine Abstände voneinander hatten. Trennungsniveaus durchgeführt wurden – nach einer transgenerationaler Verabreichung einer "Western"-Diät. Auch diese jetzt gefundene Beeinträchtigung ist wahrscheinlich mit einer Dysfunktion des Hippocampus assoziiert.

Veränderungen oft erst nach vielen Generationen

Um Verhaltensänderungen infolge von Ernährungsänderungen bei Versuchstieren zu induzieren, kann es notwendig sein, diese Veränderungen über mehrere Generationen hinweg aufrechtzuerhalten. Die Frage, ob eine diätetische Reduktion von mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Veränderungen der Aufmerksamkeit und des Impulsverhaltens bei Ratten verursacht, wurde kürzlich untersucht. Während eine Reduktion über vier Generationen keine signifikanten Verhaltenskonsequenzen aufwies, wurden Veränderungen in der Aufmerksamkeit und Impulsivität nach einer transgenerationalen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäure-Reduktion, die über mehr als sieben Generationen eingehalten wurde, beobachtet.

Westliche Diät schädigt Gehirn

Ein Zusammenhang zwischen Diätqualität und Hippocampusfunktion wird durch Befunde bei Tieren und Menschen nahe gelegt. Westliche Diäten, die reich an gesättigten Fetten und raffinierten Kohlenhydraten sind, scheinen kognitive Funktionen zu beeinträchtigen, Gehirnregionen, die mit diesen Funktionen assoziiert sind, zu schädigen und zum Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen beizutragen. Jedoch sind die Mechanismen, die bei der Assoziation zwischen dem Konsum einer westlichen Diät und den vom Hippocampus abhängigen kognitiven Funktionen beteiligt sind, unklar.

Omega-3-Fettsäuren

Mehrere physiologische Prozesse könnten beteiligt sein. Die Neurogenese im Hippocampus wird durch Neurotrophine wie den neurotrophen Faktor im Gehirn beeinflusst, die bei Tieren durch fett- und raffinartreiche Diäten beeinflusst werden. Es wurde gezeigt, dass mustergetrennte Erinnerungen einen neurotrophen Faktor im Gehirn im Gyrus dentatus benötigen. Während sich gezeigt hat, dass proinflammatorische Prozesse im Gehirn durch fettreiche/ zuckerhaltige Nahrungsmittel hochreguliert werden, was zu einer Zunahme von Neurodegeneration und Lern- und Gedächtnisstörungen führt, können sie durch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren reduziert werden. Darüber hinaus kann ein erhöhter Verzehr von Omega-3-Fettsäuren die Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen lindern oder verhindern. Die Ergebnisse einer Studie, die die Auswirkungen der Western-Diät bei Ratten untersuchten, deuteten darauf hin, dass diese Diät den Glucose- und Monocarboxylat-Transport im Hippocampus reduziert, was zu beeinträchtigtem Lernen und Gedächtnis führen kann. Darüber hinaus wurde ein mutmaßlicher Mechanismus vorgeschlagen, der die Aufnahme von westlicher Nahrung, den Abbau der Blut-Hirn-Schranke, den Hippocampus-Schaden und die Demenz-Neuropathologie in Verbindung bringt.

Kognitiver Verfall

Während die Aufnahme von westlichem Futter bei Tieren mit gestörten Lern- und Gedächtnisfunktionen im Zusammenhang mit der Integrität des Hippocampus assoziiert zu sein scheint, bleibt die translationale Relevanz dieser Befunde noch zu untersuchen. Eine kürzlich durchgeführte Kohortenstudie bei Teilnehmern ohne Demenz im Alter von ≥60 Jahren berichtete, dass eine hohe Befolgung einer westlichen Diät den kognitiven Verfall erhöhen könnte, und ein höherer Konsum eines westlichen Ernährungsmusters wurde mit einer Abnahme des Hippocampus-Volumen in Verbindung gebracht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend legen die vorliegenden Ergebnisse nahe, dass räumliche Mustertrennung (Standortdiskriminierung), eine Gedächtnisfunktion im Zusammenhang mit dem Hippocampus, in der Lage sein kann, die Auswirkungen von diätetischen Interventionen zu erkennen, und dass die Mustertrennung durch eine Diät mit erhöhtem Zuckergehalt, erhöhten Gehalten an gesättigten Fettsäuren sowie reduzierte Mengen mehrfach ungesättigter Fettsäuren und eine Erhöhung des Verhältnisses von Omega-6/Omega-3-Fettsäuren ("westliche" Diät) beeinträchtigt werden kann. Weitere Studien könnten versuchen herauszufinden, welche Bestandteile dieser Diät für die Beeinträchtigungen der Hippocampusfunktion verantwortlich sind. Darüber hinaus sollten die physiologischen und neurochemischen Mechanismen untersucht werden, die den Auswirkungen auf den Hippocampus zugrunde liegen. Es wurde gezeigt, dass langfristiger Konsum von westlicher Nahrung oxidativen Stress, Insulinresistenz, geringgradige Entzündungen und kognitive Beeinträchtigungen aufgrund der Erzeugung von hohen Lipidperoxidationsprodukten erzeugt. Hohe Konzentrationen von Lipidperoxidationsprodukten, proinflammatorischen Zytokinen und Entzündungsmediatoren sind mit der Pathogenese altersbedingter Hirnerkrankungen assoziiert. Schließlich muss die Relevanz dieser Befunde für menschliche Erkrankungen wie Demenz und Depression untersucht werden.

Hier und hier geht es zur Originalveröffentlichung

 

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